Mal wieder 1.Mai
Mal wieder 1.Mai
Aus Gesprächen die meine Eltern führten und aus dem Weggehen von Freunden aus meinem Umkreis hatte ich schon mitbekommen, dass viele Menschen unser Land bei Nacht und Nebel verlassen hatten. Auch meinem Vater wurde so manches Angebot gemacht, ihn als Ingenieur nach Westdeutschland zu holen. Doch meine Eltern glaubten an die Zukunft unseres Staates und blieben.
Als ich am 13.August 1961 vom Spiel mit meinen Freunden nach Hause kam, nahm meine Mutter mich in den Arm und weinte bitterlich. Es wird Krieg geben, sagte sie immer wieder und konnte sich nicht beruhigen.
Die Kriegserlebnisse meiner Mutter, die sich als 12 jährige auf dem Dachboden ihres Elternhauses in Köslin versteckte und auf die Rückkehr ihrer Eltern hoffte, haben ihr Leben geprägt..
Sie litt Hunger, war verlaust und hörte am dritten Tag auf zu beten. Dank freundlicher polnischer Menschen konnte sie so einige Wochen aushalten. Und tatsächlich, ihre verschleppte Mutter kehrte zurück. Sie war stumm und schneeweiß geworden. Doch sie hatten sich wieder und gingen gemeinsam auf die Flucht nach Deutschland. Eine Kristallvase und ihr Fotoalbum nahm meine Mutter mit. Auf der Flucht sah sie viel Elend, tote und verwirrte Menschen und vor allem Kinder, die nicht wussten wo sie herkommen und wann sie geboren sind. Deshalb prägte meine Mutti uns schon sehr früh ein, dass wir die wichtigsten Daten auf Schlag sagen konnten. Auch ihre Enkelkinder haben die Daten brav auswendig gelernt.
Die Erzählungen meiner Mutter habe auch mich geprägt und rufen noch heute Trauer in mir hervor. Doch dieser 13. August 1961 erschreckte mich so sehr, dass auch ich in Tränen ausbrach. Erst mein Vater, ein kluger und starker Mann konnte mir wieder Zuversicht und Vertrauen geben. Er war nicht nur mein Vater und Leiter einer MTS, nein er war auch in der Kampfgruppe. Und wenn so ein Mann, wie mein Vater uns schützt, dann brauchte ich keine Angst zu haben. Ich bin ihm sehr dankbar für den festen Halt, den er mir in meinem Leben gegeben hat.
Nie wieder habe ich meine Mutti so verzweifelt und traurig gesehen, wie an diesem 13.August 1961. Selbst als sie 2002 vom Krebs gezeichnet schon wusste, dass ihr Leben bald zu Ende ist, hat sie gefordert in der Trauerrede ihren Wunsch zum Ausdruck zu bringen, alles zu tun um die Erinnerung an die furchtbare Zeit wach zu halten und nie wieder Krieg zuzulassen.